Hubert Hüppe MdB, Vizepräsident Special Olympics Deutschland (Foto: SOD/Stefan Holtzem)
Hubert Hüppe MdB, Vizepräsident Special Olympics Deutschland (Foto: SOD/Stefan Holtzem)

Von Hubert Hüppe MdB, Vizepräsident von Special Olympics Deutschland für Politik/Inklusion/Gesundheit

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Athletinnen und Athleten,

mein erstes Editorial für Special Olympics Deutschland – ich freue mich sehr! Allerdings ist der Begriff nicht ganz barrierefrei – vielleicht fällt uns für das nächste Mal noch eine bessere Überschrift ein, die man leichter versteht.

Der Deutsche Bundestag hat die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) im Jahre 2008 fast einstimmig beschlossen. Seit 2009 sind wir in Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, die allgemeinen Menschenrechte ohne Diskriminierung auch für Menschen mit Behinderung umzusetzen. Der Artikel 25 der BRK ist einer der wichtigsten, denn er hält das Recht behinderter Menschen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit fest.

Das heißt, dass Menschen mit Behinderung eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung genauso zur Verfügung gestellt werden muss wie Menschen ohne Behinderung. Weiterhin sind Gesundheitsleistungen anzubieten, die von behinderten Menschen speziell wegen ihrer Behinderung benötigt werden.

Das Wichtigste dabei ist: Die Leistungen müssen so gemeindenah wie möglich angeboten werden, auch in ländlichen Gebieten. Das ist besonders wesentlich in einer Gesellschaft, die inklusiv werden will. Dann können Behandlungen von Menschen mit Behinderung nicht ausschließlich in besonderen Kliniken und Praxen angeboten werden, oft kilometerweit vom Wohnort entfernt, sondern müssen in der Regelversorgung möglich sein, also der allgemeinen Hausarztpraxis um die Ecke.

Genau das ist in Deutschland aber noch ein großes Problem. Viele Arztpraxen sind nicht barrierefrei, weder im Zugang noch bei der Behandlung. Dabei fehlt es nicht nur an Aufzügen oder verstellbaren Untersuchungsstühlen, sondern auch an Leichter oder auch nur Einfacher Sprache. So können Menschen mit Lernbehinderung den Arzt oft nicht alleine aufsuchen, sondern nur in Begleitung ihrer Eltern oder eines Assistenten. Außerdem lassen viele Angebote zur gesundheitlichen Aufklärung und Prävention Menschen mit Lernbehinderung als Zielgruppe außer Acht.

Hier setzt das Programm „Selbstbestimmt gesünder“ von Special Olympics Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit an. Junge Erwachsene mit Lern-und Mehrfachbehinderung werden direkt in ihren Lebenswelten besucht, also am Arbeitsplatz, in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, in den Organisationen der Behindertenhilfe, in Wohneinrichtungen, Schulen sowie bei Veranstaltungen von Special Olympics Deutschland und mit den Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vertraut gemacht.

So werden Menschen mit Behinderung selbst in die Lage versetzt, auf ihre Gesundheit zu achten – ein wichtiger Schritt hin zu einem selbstbestimmten Leben. Mit der jetzt eingeläuteten dritten Stufe des Projekts werden zudem nicht mehr in erster Linie Sportlerinnen und Sportler angesprochen, die bei Special Olympics teilnehmen, sondern auch alle anderen interessierten Menschen mit Lern-und Mehrfachbehinderung.

Das freut mich sehr. Denn Menschen mit sog. geistiger Behinderung haben ein 40% höheres Risiko für zusätzliche gesundheitliche Einschränkungen, wie z.B. Übergewicht, mangelhafte Fitness, falsche Ernährung und Vitaminmangel, unbehandelte oder schlecht behandelte Sehschwäche, Hörschäden, Fußprobleme oder schlechte Zähne. Sie brauchen dringend besseren Zugang zu Informationen über Gesundheitsprobleme und Angeboten der Prävention.

Die Große Koalition hat sich in dieser Wahlperiode der Verbesserung der Gesundheitsvorsorge von Menschen mit Behinderung bereits angenommen. So ist im sog. Versorgungsstärkungsgesetz (VSG), das sich gerade noch in den letzten parlamentarischen Beratungen befindet, die Einrichtung sog. „Medizinischer Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen“ vorgesehen.

Außerdem sollen Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz Anspruch auf zusätzliche Leistungen zahnmedizinischer Prävention erhalten. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses habe ich beantragt, dass neben Kindern-und Alteneinrichtungen auch die Einrichtungen der Behindertenhilfe ausdrücklich als Teil der Lebenswelten aufgelistet werden, in denen die Krankenkassen Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention anbieten.

Zur besseren gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Lern-und Mehrfachbehinderung kann „Healthy Athletes“ nur ein Auftakt sein. Ziel muss sein, dass Menschen mit Behinderung nicht nur bei Veranstaltungen wie Special Olympics Zugang zu medizinischen Untersuchungen bekommen, sondern egal, welche Behinderung jemand hat, muss er oder sie in der Regelversorgung mitgedacht werden; genauso wie Menschen ohne Behinderung auch.

Um wirklich gleichberechtigten Zugang von Menschen mit und ohne Behinderung in allen ambulanten und stationären Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, braucht es dazu noch mehr Angebote (über das Programm „Selbstbestimmt Gesünder“ hinaus). Insbesondere in der Regelversorgung, also den Haus-und Facharztpraxen als erster Anlaufstelle der Menschen vor Ort, müssen Ärzte und medizinisches Personal für den Umgang mit Menschen mit Lern-und Mehrfachbehinderung und ihre besonderen Bedarfe geschult werden.

Die von Special Olympics entwickelten Materialien in Leichter Sprache mit individualisierten Handlungsempfehlungen zum Gesundheitsverhalten können hier ein guter Ansatzpunkt für die Entwicklung weiterführender Informationen und Angebote sein.

Als Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages werde ich mich auf jeden Fall weiterhin für den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit und ohne Behinderung im Gesundheitswesen einsetzen. Es gibt noch so viel zu tun!

Euer Hubert Hüppe MdB

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