Editorial

Von Christiane Krajewski, Präsidentin Special Olympics Deutschland

(Foto: privat)
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Special Olympics Deutschland engagiert sich seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahre 2009 für deren Umsetzung und wird als wichtiger Akteur auf Bundes- und Landesebene wahrgenommen. So hat sich unser Verband – gemeinsam mit dem DOSB, dem DBS und dem DGS – mit konkreten Vorschlägen schon frühzeitig in die Diskussion um das Bundesteilhabegesetz (BTHG) eingebracht, dessen Verabschiedung Anfang kommenden Jahres ansteht.
Die Kritik am vorliegenden Referenten-Entwurf des BTGH hat mittlerweile eine große gesellschaftliche Öffentlichkeit erreicht. Die Aktion der Bundesvereinigung Lebenshilfe‚ #TeilhabeStattAusgrenzung hat bereits mehr als 65.000 Stimmen für eine Petition zur Verbesserung des Entwurfs gesammelt.

Worum geht es uns konkret?

Ziel des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) soll sein, die Lebenssituation von Menschen mit oder mit drohender Behinderung zu verbessern und ihnen eine selbstbestimmte und individuelle Lebensplanung zu ermöglichen. Damit soll auch den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention entsprochen und das deutsche Recht entsprechend weiterentwickelt werden.
In der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gebildeten Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren waren die gemeinnützigen Sportorganisationen jedoch nicht vertreten. Daher fehlen im Entwurf des BTHG bisher die nötigen Leistungen, die Menschen mit Behinderungen für eine inklusive Sportlandschaft benötigen.

So ist im Entwurf beim wichtigen § 49 – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – das Thema Bewegung und Sport in der beruflichen Rehabilitation nicht berücksichtigt. Wir sehen hier einen Änderungsbedarf und regen die Aufnahme entsprechender Formulierungen in einzelnen Paragraphen an.

Denn gerade das vom BMAS im Jahr 2015 geförderte Projekt „Betriebliches Gesundheitsmanagement: Selbstbestimmt fit am Arbeitsplatz“ hat deutlich gezeigt, dass Bewegungs- und Sportangebote einen zentralen Faktor in der beruflichen Rehabilitation einnehmen und als fester Bestandteil zu etablieren sind. Sie befördern durch eine erheblich verbesserte körperliche Verfassung die berufliche Rehabilitation von Menschen mit geistiger Behinderung und deren Integration in den ersten Arbeitsmarkt und tragen zum Erhalt der Erwerbs- und Beschäftigungsfähigkeit bei. Sport- und Bewegungsangebote unterstützen die Betriebliche Gesundheitsförderung in Werkstätten entscheidend und wirken präventiv am Arbeitsplatz im Sinne einer gesundheitsorientierten Lebensweise. Ein weiterer Aspekt ist, dass motorische Betätigung und Sport einen spürbaren Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung nehmen.

Weiteren Änderungsbedarf sehen wir im § 76 – Soziale Teilhabe. Hier geht es um die Berücksichtigung der Leistung zur Gestaltung der Freizeit sowie die Sicherung der Assistenzleistungen, die im Entwurf bisher nicht enthalten sind.
Der Freizeitbereich ist aber elementar wichtig für die soziale Teilhabe, wobei insbesondere der Sport eine gewichtige Rolle einnimmt. Wir wissen, dass Menschen mit geistiger Behinderung – vor allem im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung - nach wie vor nur sehr eingeschränkte Teilhabemöglichkeiten am Sport haben. Dass Sport ein zentraler Zugang für die Förderung der Inklusion ist, erleben wir bei SOD in unserer täglichen Arbeit. Umso wichtiger ist es, diese Erkenntnisse und Erfahrungen in den Gesetzesentwurf einzubringen.

Was die Assistenzleistungen angeht, so werden mit der derzeitigen Formulierung Menschen mit Behinderung, die Assistenz benötigen, in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe erheblich eingeschränkt und es werden Abhängigkeiten zu Familie, Freunden und Nachbarn geschaffen. Diese Regelung steht einer umfassenden Teilhabemöglichkeit sowie der Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensführung entgegen und muss überarbeitet werden.
Ehrenamtliches Engagement muss auch für Menschen mit Behinderungen in den Strukturen des Sports oder auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens möglich sein und die dabei notwendige behinderungsbedingte Unterstützung durch angemessene Assistenz ist zu gewähren. Daher fordern wir die Finanzierung für entsprechende Assistenzleistungen und Unterstützungen durch Mobilitätshilfen im Ehrenamt.

Es ist aus unserer resp. aus Sicht des gemeinnützigen Sports unerlässlich, dass die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention bei allen gesetzgeberischen Aktivitäten konsequent umgesetzt werden. Das BTHG muss den rechtlichen Rahmen schaffen, um umfassende Teilhabe für alle Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, das Wunsch- und Wahlrecht zu stärken und ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Dafür werden wir uns als Sportverband, der sich für die Rechte und Interessen von Menschen mit geistiger Behinderung einsetzt, über die eingebrachten Vorschläge hinaus in unserer politischen Arbeit weiterhin stark engagieren.

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