Gastkommentar

(Foto: Bernd Lammel)
(Foto: Bernd Lammel)

Die Lebenshilfe kämpft für wirkungsvolle Teilhabe

Von Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust, Bundesgeschäftsführerin der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.

Es soll das größte sozialpolitische Reformvorhaben der Bundesregierung werden: das Bundesteilhabegesetz. Statt mehr Teilhabe finden sich im bisherigen Entwurf jedoch noch erhebliche Probleme. Das gilt besonders auch für das Pflegestärkungsgesetz III. Sollten beide Gesetze in der vorliegenden Form verabschiedet werden, hätte das gravierende Folgen für Menschen mit Behinderung.

Die Lebenshilfe mit ihren über 500 örtlichen Vereinigungen und 130.000 Mitgliedern hat daher die bundesweite Kampagne #TeilhabeStattAusgrenzung gestartet und ruft dazu auf, ihre Petition zu den Gesetzentwürfen zu unterzeichnen. Seit Juli haben wir schon fast 70.000 Unterschriften gesammelt, online und auf Listen. Unser Ziel ist es, die Forderungen der Lebenshilfe für gute Teilhabe und Pflege den Abgeordneten und der breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen. Da die vielfältigen Regelungen sehr kompliziert sind, erklären wir die Fakten in einfachen Worten und anhand von Fallbeispielen auf unserer Kampagnenseite im Internet.
    
Das Bundesteilhabegesetz regelt die Eingliederungshilfe neu. Von den derzeit rund 860.000 Beziehern der Eingliederungshilfe hat die Mehrheit – über eine halbe Million – eine geistige Behinderung. Gerade für sie drohen Verschlechterungen und Schwierigkeiten, ohne dass sie von Verbesserungen profitieren können. Manche von ihnen müssen nun fürchten, ganz aus dem Hilfesystem herauszufallen. Anderen droht, dass sie gegen ihren Willen mit anderen zusammen wohnen müssen oder in Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden.

Wir dürfen nicht zulassen, dass am Ende die Menschen mit geistiger Behinderung als Verlierer dastehen! Deshalb fordert die Lebenshilfe, dass …

1.    …Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf künftig nicht von den Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschlossen werden. Sie brauchen für Teilhabe beide Formen der Unterstützung. Der Verschiebebahnhof zwischen Eingliederungshilfe und Pflege muss aufhören!
2.    …der Zugang zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nicht so begrenzt wird, dass Menschen, die in weniger als fünf Lebensbereichen Einschränkungen aufweisen, von den Leistungen ausgeschlossen werden. Eine solche Hürde ist zu hoch!
3.    …Menschen mit Behinderung nicht gezwungen werden können, gemeinsam mit anderen Leistungen in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel beim Wohnen und in der Freizeit. Das ist das Gegenteil von Selbstbestimmung und führt zu Ausgrenzung statt Teilhabe!
4.     …die Kosten der Unterkunft für das Wohnen in Wohnstätten nicht willkürlich begrenzt werden. Wenn das Wirklichkeit wird, droht vielen Wohnstätten das finanzielle Aus, Menschen mit Behinderung würden ihr Zuhause verlieren.
5.     …Menschen mit einer geistigen Behinderung nicht von den verbesserten Regelungen im Bundesteilhabegesetzes zur Heranziehung ihres Vermögens ausgeschnitten werden. Auch sie haben ein Recht auf ein Sparbuch!

Am 22. und 23. September wurden Bundesteilhabegesetz und Pflegestärkungsgesetz III in erster Lesung in Bundestag und Bundesrat diskutiert. Dabei zeigte sich, dass die Argumente der Lebenshilfe bei den Abgeordneten angekommen sind. Dennoch dürfen wir jetzt auf keinen Fall nachlassen. Unterstützen Sie uns daher beim Kampf gegen die Verschlechterungen durch das Pflegestärkungsgesetz III und für ein Bundesteilhabegesetz, das diesen Namen auch verdient. Mehr Informationen finden Sie auf www.teilhabestattausgrenzung.de. Dort können Sie auch direkt unsere Petition unterzeichnen – seien Sie dabei! Herzlichen Dank!

Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust,
Bundesgeschäftsführerin der Lebenshilfe

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