Editorial

15 Jahre Gesundheitsprogramm Healthy Athletes® bei SOD 

Von Dr. Imke Kaschke, Leiterin Gesundheit von Special Olympics Deutschland

Vor 15 Jahren - anlässlich der Nationalen Sommerspiele 2004 in Hamburg - wurde Healthy Athletes® bei Special Olympics Deutschland eingeführt. Was konnte seitdem bewegt werden, welche Erfolge sind zu verzeichnen?

Special Olympics International (SOI) hatte in den USA bereits im Jahr 1996 das Gesundheitsprogramm ins Leben gerufen. Mit deren inhaltlicher und bis heute auch finanzieller Unterstützung konnten die Healthy Athletes® Angebote weltweit in vielen Special Olympics Mitgliedsstaaten aufgebaut werden, so auch in Deutschland. Primär soll das Gesundheitsprogramm die Trainings– und Wettbewerbsfähigkeiten der Special Olympics Athletinnen und Athleten verbessern.

Start mit sechs Disziplinen

So starteten die Angebote auch in Deutschland zunächst einmal jährlich während nationaler Special Olympics Veranstaltungen, insbesondere bei den Sommerspielen, mit Untersuchungen zur Hör- und Sehfähigkeit, zur Mundgesundheit, der gesunden Lebensweise sowie den Programmen Fit Feet und Funfitness. Die Teilnehmenden mit ihren Angehörigen und Coaches erkannten schnell, dass die kostenlosen Untersuchungen und Beratungen ein Mehr für sie bedeuteten. Vor allem zeigte sich aber auch ein großer Bedarf an diesen Angeboten für Athletinnen und Athleten, die sich nicht für nationale Wettbewerbe qualifizieren konnten.

Rückenwind durch die UN-Behindertenrechtskonvention

Um diesem zu entsprechen und die bundesweite Entwicklung voranzubringen, wurde auf Beschluss des SOD-Präsidiums im Frühjahr 2009 eine hauptamtliche Mitarbeiterstelle Healthy Athletes® in der Bundesgeschäftsstelle eingerichtet. Das war rückblickend ein guter Zeitpunkt, denn die Situation von Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland wurde insbesondere durch die Unterzeichnung der UN Behindertenrechtskonvention (UN BRK) im Jahr 2010 politisch mit steigender Aufmerksamkeit wahrgenommen.

So auch im Bereich Gesundheit: Wurde im Jahr 2009 auf eine kleine Anfrage des damaligen SOD Vizepräsidenten Detlef Parr an den Deutschen Bundestag mitgeteilt, dass dort keine Defizite in der gesundheitlichen Situation oder in der medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung bekannt seien, stieg in den folgenden Jahren die öffentliche und gesundheitspolitische Wahrnehmung für einen dringenden Handlungsbedarf.

Parallel dazu konnte Healthy Athletes® weiterentwickelt werden und erstmals im Jahr 2011/12 mit dem Projekt „Gesund durchs Leben“ eine Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erhalten.

Regionalisierung mit Unterstützung des BMG

Das war der Start für die Regionalisierung des Gesundheitsprogramms. In zunächst fünf SO Landesverbänden konnten so Netzwerke aufgebaut, ehrenamtlich engagiertes medizinisches Fachpersonal gewonnen und Menschen mit geistiger Behinderung in ihrem Wohn- und Arbeitsumfeld einbezogen werden. Drei weitere Projektförderungen durch das BMG mit Beteiligung anderer SO Landesverbände folgten bis Ende 2018. Auf diese Weise kam elf SO Landesverbänden Unterstützung zu Gute.

Ziel aller Projekte war immer, nach Abschluss eine nachhaltige Etablierung und Finanzierung in den jeweiligen Bundesländern zu erreichen. Trotz großer Bemühungen, vieler Gespräche und umfangreicher Anträge konnten bis heute nicht überall so zufriedenstellende Anschlussförderungen, wie z.B. für den SO Landesverband Berlin/Brandenburg oder Schleswig-Holstein, erreicht werden.

In einer Zeitspanne von nur neun Jahren wurde viel erreicht: Heute werden jährlich mehr als 50 Veranstaltungen mit einer oder mehreren HA Disziplinen während SO Sportwettbewerben, in Schulen, Wohneinrichtungen oder Werkstätten bundesweit durchgeführt. In elf SO Landesverbänden gibt es hauptamtlich Mitarbeitende für Healthy Athletes® oder werden aktuell Projekte mit Angeboten zur Gesundheitsförderung hauptamtlich geleitet und etabliert.

Großartiges ehrenamtliches Engagement

Der nachhaltige Aufbau des Gesundheitsprogramms wäre ohne das großartige, langjährige Engagement vieler Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte und medizinischem Fachpersonal als Leitende oder Helferinnen und Helfer in den Gesundheitsdisziplinen nicht möglich gewesen. Waren bei der Startveranstaltung im Jahr 2004 bereits für alle sechs Healthy Athletes® Disziplinen bundesweit leitende Clinical Directors (CD) im ehrenamtlichen Einsatz, ist das Team im Verlauf der Jahre gewachsen: Derzeit sind 12 CDs für SOD und weitere 57 ehrenamtlich Leitende für die sieben Gesundheitsbereiche in 12 SO Landesverbänden aktiv.

Seit Einführung von Healthy Athletes® konnten so mehr als 54.000 kostenlose Beratungen und Untersuchungen durchgeführt werden.

Unterstützer und Förderer des Healthy Athletes® Programms

Bereits seit dem Jahr 2011 unterstützte das Unternehmen Wrigley Deutschland finanziell und mit Helfenden die Healthy Athletes® Angebote insbesondere bei Special Smiles. Diese Förderung in großem Umfang wurde in den Folgejahren zunächst durch die Wrigley Foundation und aktuell durch die Mars Wrigley Foundation fortgeführt.

Das Zahn- und Mundgesundheitsprogramm wird darüber hinaus in Deutschland bereits seit 2015 durch die Stiftung Innovative Zahnmedizin e.V. gefördert. Weltweit wird das Augenprogramm Opening Eyes finanziell durch die Lions International und die Firmen Safilo und Essilor mit Brillengestellen und Brillengläsern unterstützt. Damit konnten seit dem Jahr 2008 allein in Deutschland 2.665 Athletinnen und Athleten mit Sehhilfen versorgt werden.

Nationale und regionale Veranstaltungen des SOD Healthy Athletes® Programms wurden in den vergangenen beiden Jahren darüber hinaus durch die Stiftung Henry Schein Cares mit Verbrauchs- und Ausstattungsmaterialien unterstützt.

Nicht zu vergessen sind aber auch die vielen Förderer und deren materielle und finanzielle Unterstützung für einzelne Veranstaltungen. Wurde der Grundstein in den Anfangsjahren für die Healthy Athletes® Angebote vor allem finanziell durch SOI gelegt, wäre die Entwicklung des SOD Gesundheitsprogramms in den letzten Jahren national und regional ohne viele weitere Unterstützer und Förderer nicht in diesem Umfang möglich gewesen.

Athletinnen und Athleten stehen im Mittelpunkt

Niemals wurde bei der Entwicklung des Gesundheitsprogramms außer Acht gelassen, dass im Mittelpunkt aller Bemühungen stets unsere Athletinnen und Athleten stehen: Nicht über sie hinweg, sondern nur mit ihnen gemeinsam und unter Beachtung ihrer Bedürfnisse kann eine barrierefreie Gesundheitsversorgung in Deutschland vorangebracht werden.

In den vergangenen Jahren wurden deshalb Menschen mit geistiger Behinderung als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in verschiedenen Gesundheitsdisziplinen geschult. Das erworbene Wissen können sie in ihrem Lebemsumfeld weitergeben oder als Tandempartnerinnen und Tandempartner in einem inklusiven Gesundheitsteam gemeinsam mit medizinischem Fachpersonal während Angeboten des Gesundheitsprogramms einbringen.

Gestärkt wurde die Vertretung der Athletinnen und Athleten auch durch die Berufung eines Athletensprechers – Dennis Mellentin – in den Fachausschuss Gesundheit.

Anteil an verbesserter medizinischer Versorgung

Nicht zuletzt wurden und werden die Untersuchungsergebnisse des Special Olympics Gesundheitsprogramms von der Gesundheitspolitik wahrgenommen und haben z.B. maßgeblich zur Einführung der zusätzlichen zahnmedizinischen Vorsorgeleistungen für Menschen, die Eingliederungshilfe beziehen oder einen Pflegegrad haben, beigetragen. Als eine weitere wichtige gesetzliche Regelung zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von MmgB ist hier auch die bundesweite Einführung von sog. MZEBS – Medizinische Versorgungszentren für Erwachsene mit Behinderung - zu nennen.

Um den gesetzlichen Leistungsanspruch für weitere medizinische Leistungen für Menschen mit geistiger Behinderung weiter ausbauen zu können, sind wissenschaftliche Daten notwendig. Auch hier leistet das SOD Gesundheitsprogramm in Kooperation mit seinen Netzwerkpartnern wie der Bundesärzte-, -zahnärzte- und Psychotherapeutenkammer sowie der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften einen wesentlichen Beitrag.

Tausende Multiplikatoren in den Regionen

In Zusammenarbeit mit Universitäten, Hoch- und Fachschulen wurden nicht nur Publikationen veröffentlicht, Vorträge gehalten, sondern auch Healthy Athletes® Daten in vier Masterarbeiten und aktuell einer Promotion ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Mehr als 3.500 ehrenamtlich engagierte Mediziner und medizinisches Fachpersonal sowie Studierende, die sich freiwillig beim Healthy Athletes® Programm engagierten, wurden für die besonderen Belange von Menschen mit geistiger Behinderung sensibilisiert. Diese praktische Erfahrung konnte ihr Wissen und ihre Kompetenzen steigern und gleichzeitig dazu beitragen Berührungsängste abzubauen. Als Multiplikatoren konnten sie diese wertvollen Kenntnisse in ihre unterschiedlichen Bereiche und Regionen weitertragen und damit zur Verbesserung des Zugangs zur medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung beigetragen.

Gewachsene Strukturen

Vieles wäre hier noch zu nennen, was in den vergangenen Jahren vorangebracht wurde, wie z.B. die Entwicklung einer Vielzahl von Materialien mit Gesundheitsinformationen in Leichter Sprache oder die Einführung des SOD Athleten Gesundheitspasses.

Auch organisatorisch ist die Entwicklung im Verband vorangegangen: Der Fachausschuss Gesundheit wurde gegründet und steht dem SOD Präsidium als beratendes Gremium zur Verfügung. Zum Bereich Gesundheit gehören heute eine weitere befristete Mitarbeiterstelle mit Verantwortung für die aktuellen Projekte des Gesundheitsprogramms sowie eine befristete studentische Mitarbeiterstelle.

Von Healthy Athletes® zum Schwerpunkt Gesundheit

Seit seiner Einführung hat sich das Gesundheitsprogramm in Deutschland zu einem anerkannten und beachteten Fürsprecher für die gesundheitlichen Belange von Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt. Special Olympics Deutschland kann mit Recht stolz auf die umfassenden Angebote des Gesundheitsprogramms sein, die auch im internationalen Vergleich beispielhaft sind. Nicht zuletzt deshalb wird diese Expertise im Austausch und in der Zusammenarbeit mit SOI auf internationaler Ebene geschätzt.

Nach wie vor ist das Gesundheitsprogramm ein Alleinstellungsmerkmal für SOD als Sportorganisation in Deutschland. Der Stellenwert innerhalb des Verbandes hat sich durch die beschriebene Entwicklung und die gesellschaftliche Relevanz von einem Bestandteil des Rahmenprogramms zu einem gleichberechtigten Bereich neben dem Kernbereich Sport gewandelt.

Dieser Entwicklung wurde auch der Sprachgebrauch angepasst: Healthy Athletes® ist nunmehr ein Teil des SOD Bereichs Gesundheit, zu dem auch Großprojekte wie die Plattform „Gesundheit leicht verstehen“ und „Bewegung und Gesundheit im Alltag stärken“ gehören.

Auch zukünftig wird das Gesundheitsprogramm - bundesweit und regional - seine Aufgaben als Vertreter für die besonderen gesundheitlichen Belange von Menschen mit geistiger Behinderung wahrnehmen und sich für die weitere Verbesserung ihrer gesundheitlichen Versorgung einsetzen.

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