Die Neuausrichtung des Verbandes - Sven Albrecht (Seite 1)

Wann haben Sie zum ersten Mal von Special Olympics erfahren und wann und wie sind Sie dann in welcher Funktion aktiv geworden?

Ich habe das erste Mal während meines Studiums von Special Olympics erfahren. Ich habe zu dieser Zeit eine Schwimm- und Psychomotorikgruppe für Kinder mit geistiger Behinderung geleitet. Per Zufall habe ich Anfang 2003 dann einen kleinen Bericht gelesen, dass die Nationalen Spiele 2004 nach Hamburg kommen und habe mich dann spontan beworben. Dieser Artikel, den ich rein zufällig gesehen habe, wird für mich immer der größte Glücksfall bleiben.  Ich dachte, dass ich ein Praktikum absolvieren werde – dass es kein „gewöhnliches“ Praktikum wird, habe ich sehr schnell gelernt. Nach den Spielen 2004 durfte ich dann die Landesverbände im Norden mitgründen und die Anfangszeit begleiten.

Mit dem Neubeginn 2005, mit neuem Präsidium unter Führung von Gernot Mittler und dem Umzug der Geschäftsstelle nach Berlin – was waren zu Beginn die vordringlichsten Aufgaben?

Ich war der erste Angestellte in der neuen Struktur. Kurz danach kam dann mit Thomas Reinecke ein Geschäftsführer. Wir haben zunächst einmal das neue Büro in Berlin aufgebaut. In der ersten Phase ging es nach den unruhigen Zeiten insbesondere darum, eine neue Struktur aufzubauen und den vielen Ehrenamtlichen, die auch unter schwierigsten Bedingungen einen herausragenden Job geleistet haben, eine bessere Unterstützung zukommen zu lassen. Zunächst lag der Fokus auf dem Aufbau des Sportbereiches. Zentrale Aufgabe war es, ein neues Vertrauensverhältnis sowohl intern als auch extern aufzubauen.  Dem neu aufgestellten Präsidium kam hier eine besondere Rolle zu.

Wie wurden in dieser Zeit - um 2005 - in Ihrem Umfeld damals Menschen mit geistiger Behinderung wahrgenommen? Und wie Special Olympics?

Special Olympics war die Organisation, die ein paar große Events organisiert, irgendwie aus Amerika stammt und immer etwas arrogant auftrat. Diese Wahrnehmung galt es zu verändern. Unsere Athleten wurden zunehmend akzeptiert und als Sportler wahrgenommen. Wir waren aber noch weit davon entfernt, dass Athleten aktive Gestalter unseres Verbandes waren.

Wenn man den gesamten Zeitraum seit 2005 betrachtet - was waren die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Ausgehend von den Veranstaltungen und dem Sport haben wir SOD zunehmend zu einer Alltagsorganisation mit einem ganzheitlichen Ansatz entwickelt. Dazu gehören u.a. das Gesundheits-, Familienprogramm sowie das Athletensprecherprogramm und die Gründung der SOD Akademie. Des Weiteren konnten wir wichtige Veränderung in der Medienarbeit erreichen. Wir haben eine klare Kommunikation mit wichtigen Botschaften, die wir konsequent umsetzen. All dies konnten wir aber natürlich nur erreichen, wenn die Finanzierungsbasis stimmt. Daher war es von Beginn an zentral, dass wir die Arbeit auf sichere finanzielle Beine stellen und ein verlässlicher und vertrauensvoller Partner für alle Geldgeber werden. Dazu gehörte auch der Aufbau einer politischen Interessenvertretung.

Mit welchen Problemen mussten Sie sich vor allem auseinandersetzen?

Wie oben erwähnt ging es zunächst darum, Vertrauen und Verlässlichkeit aufzubauen, Leute wieder für Special Olympics  zu motivieren, zu demonstrieren, dass wir mehr als Veranstaltungen bieten und ein wichtiger Interessenvertreter für und mit Menschen mit geistiger Behinderung sind. Es gab kaum Strukturen und die finanziellen Möglichkeiten waren sehr bescheiden.
Im Übrigen ist die nach wie vor nicht ausreichende Finanzierung unserer Landesverbände auch heute nicht zufriedenstellend.

Was waren aus Ihrer persönlichen Sicht Meilensteine seit 2005, die SOD vorangebracht haben?

Der wichtigste Schritt war die Gründung und Etablierung der Landesverbände. Nur so konnte es gelingen, dass SOD sich in der Breite  hin zu einem Sportverband mit einem vielfältigen Angebot und einer großen gesellschaftlichen Bedeutung entwickelt. Ohne diesen Schritt wären viele der weiteren Entwicklungen nicht möglich gewesen.
Weitere zentrale Punkte waren u.a. die Aufnahme im DOSB, die Etablierung des Gesundheitsprogramms, die Gründung der SOD Akademie, der Aufbau der Zusammenarbeit mit den Ministerien und die damit einhergehende Förderung und Interessenvertretung gegenüber der Politik.
Und was mich besonders freut: Dass wir die Rolle und Wahrnehmung der Athleten deutlich verändert haben. Für die Sportentwicklung war die Aufnahme in die Sportjahresplanung des BMI von großer Bedeutung. Mit dem Unified Sport haben wir unsere Angebote entscheidend erweitert.

Gründung des Landesverbandes Special Olympics Sachsen-Anhalt im Jahr 2013: Dr. Bernhard Conrads, Erster Vizepräsident von SOD, Andreas Silbersack, SOD-Vizepräsident und stellv. Vorsitzender von SO Sachsen-Anhalt, und Sven Albrecht Bundesgeschäfstführer SO
Gründung des Landesverbandes Special Olympics Sachsen-Anhalt im Jahr 2013: Dr. Bernhard Conrads, Erster Vizepräsident von SOD, Andreas Silbersack, SOD-Vizepräsident und stellv. Vorsitzender von SO Sachsen-Anhalt, und Sven Albrecht Bundesgeschäfstführer SOD. (Foto: Frank Löper)

Seit 2007 ist SOD Mitglied im DOSB – damals ein großer Erfolg für SOD. Wie schätzen Sie die Entwicklung seitdem ein, in welchen Bereichen gab es Fortschritte, wo sind nach wie vor die größten Baustellen in der Kooperation mit dem organisierten Sport?

Für die Akzeptanz im deutschen Sport war dies von herausragender Bedeutung. Wir gehören zur deutschen Sportfamilie, werden in Entscheidungen mit eingebunden und können die Interessen viel besser vertreten. Auch für die Kooperationen mit den Fachverbänden war dies sehr hilfreich.
Wir müssen in der Zusammenarbeit aber noch deutlich konkreter werden und immer wieder dafür werben, dass Organisationen der Behindertenhilfe wichtige Sportanbieter für Menschen mit geistiger Behinderung sind und als Kooperationspartner beim Aufbau von inklusiven Maßnahmen benötigt werden. Themen wie Prävention, Gesundheit, Bildungsmaßnahmen müssen auch vom organisierten Sport breiter gefasst werden. Wir brauchen die Unterstützung des organisierten Sports, um notwendige Forderungen, die über den Sportverein hinausgehen, mit mehr Nachdruck fordern zu können.

Die SOD-Entwicklung in den vergangenen elf Jahren wird auch von außen als „rasant“ und „enorm“ bezeichnet. Gibt es so etwas wie ein Erfolgsrezept, oder anders gefragt – welche Faktoren waren für diese erfolgreiche Entwicklung bestimmend?

Wir haben tolle Menschen, die sich ehren- und hauptamtlich auf Landes- und Bundesebene für diese Entwicklung eingesetzt haben. Was uns dabei immer stark gemacht hat ist, dass wir weltweit eine klare Vision und geeignete Konzepte haben. Wenn auch mal unterschiedliche Auffassungen vorlagen, hat uns immer ein starkes Miteinander ausgezeichnet!
Hilfreich war dann auch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. SOD konnte von Beginn an zeigen, wie ganzheitlich wir uns einbringen und vor allem, dass wir konkrete Maßnahmen umsetzen können. Wir sind ein kompetenter und zuverlässiger Partner, der handelt!
    
Welchen Stellenwert haben dabei die großen SO-Veranstaltungen, und hat sich deren Bedeutung für SOD verändert – Stichwort: Alltagsbewegung?

Sie waren für die Entwicklung des Verbandes ganz zentral und ein Katalysator für die programmatische Entwicklung, aber auch für die öffentliche Wahrnehmung. Für die Athleten waren und sind die Nationalen Spielen ein herausragendes Erlebnis und eine wichtige Motivation für das Training. Daher war es auch wichtig und richtig, sie in dieser engen Taktung durchzuführen.
Unter anderem mit der Einführung von Anerkennungswettbewerben für die Nationalen Spiele 2010 haben wir eine Verschiebung auf Landesebene erreicht. Nun starten deutlich mehr Athletinnen und Athleten bei Landesveranstaltungen und wir kommen unserem Ziel näher, ein regelmäßiges Angebot vor Ort zu schaffen. Daher sind die Einführung von Landesspielen und die vorgenommene Rhythmusänderung der Nationalen Spiele nur konsequent.
Wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns, um mehr Menschen mit geistiger Behinderung für den Sport zu erreichen. Darauf wollen wir uns noch stärker konzentrieren.



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